„Die meisten Jugendlichen sind nicht politikverdrossen“

Das Modellprojekt „Politische Partizipation als Ziel der politischen Bildung“ endet im Dezember 2019. Alexander Mack, Leiter des Projekts, gibt im Interview Einblicke.

AKSB: Worum geht es in dem Projekt und was wurde in den zweieinhalb Jahren erreicht?

Im Kern geht es um die Frage, wie echte politische Beteiligung von Jugendlichen an der Schnittstelle von schulischer und außerschulischer Bildung gefördert werden kann. In der Politikdidaktik waren in den letzten Jahren immer wieder kritische Stimmen zu hören, dass Demokratielernen in der Schule zwar angelegt ist, echtes politisches Handeln aber nicht vorgesehen ist. Das wurde unter anderem als „simulatives Trockenschwimmen“ bezeichnet. In unserem Projekt wollten wir den Beckenrand verlassen, echtes politisches Handeln ausprobieren und reflektieren. Das Interesse war groß: innerhalb der dreieinhalb Jahre waren gut 700 Jugendliche aus etwa 20 Schulen und zahlreiche außerschulische Bildungseinrichtungen, davon ein Großteil aus der AKSB, an diesem bundesweiten Modellprojekt beteiligt.

AKSB: Welche Erkenntnisse aus dem Projekt sind für die politische Bildung von Bedeutung?

Durch den Charakter als Praxisforschungsprojekt, das wissenschaftlich begleitet wird, konnten viele Ergebnisse gesammelt werden. Eine zentrale Erkenntnis betrifft die Frage, wie eine Aktion bewertet wird. Viele der am Projekt beteiligten Jugendlichen hatten einen ganz anderen Blick als die Erwachsenen. So definierten sie beispielsweise ganz andere Kriterien für Erfolg und Misserfolg einer politischen Aktion. Es hat sich bestätigt, dass die Auswertung einer Aktion mindestens genauso wichtig ist wie deren Planung und Durchführung. Durch die Begleitforschung und die gemeinsame Evaluation sowie Weiterentwicklung mit allen am Projekt beteiligten Akteur/innen konnten so einige „Bedingungen für gelingende politische Partizipation von Jugendlichen“ herausgearbeitet werden.

AKSB: An welche besonderen Ereignisse im Projekt erinnerst Du Dich gerne?

Zuerst fällt mir da eine Gruppe von Jugendlichen ein, die man wohl als „bildungsbenachteiligt“ bezeichnen würde. Sie haben durch ihr Projekt direkten Kontakt zur Kommunalpolitik in ihrem Wohnort hergestellt und erstmals die Erfahrung gemacht, dass man ihnen zuhört und ihre Stimme auch zählt. Sehr beeindruckend ist auch, dass eine Gruppe aus dem ersten Projektjahr, die eine Aktion zum Thema „Homophobie“ entwickelt hat, sich eigenständig gemacht hat und bis heute aktiv ist – über die eigene Schulzeit hinaus. Auf diese Weise kann selbstgesteuertes zivilgesellschaftliches Engagement gestärkt werden.

AKSB: Das Projekt endet im September 2019. Das Thema der Abschlusstagung lautet „Neutralität ist auch keine Lösung!“ Warum dieses Thema?

Wir haben uns bewusst entscheiden, das Thema etwas weiter zu fassen und nicht nur intern die Projektergebnisse vorzustellen. Die Diskussion um „Neutralität“ ist in der politischen Bildung hochaktuell und ist uns auch im Projekt begegnet. Politisches Handeln ist schließlich nicht neutral, sondern verfolgt immer Ziele. Wenn wir das in der politischen Bildung aufgreifen wollen, müssen wir auch unsere eigenen Werte transparent machen. Demokratie und Menschenrechte sind zentrale Werte, die wir immer wieder einbringen müssen, wenn Menschen ausgegrenzt werden oder andere Grundrechte in Gefahr sind.

AKSB: Was erwartest Du Dir von dieser Tagung?

Ich freue mich besonders darauf, dass politische Bildner/innen und Wissenschaftler/innen nicht unter sich bleiben, sondern auf engagierte Jugendliche aus dem Projekt und Jugendbeteiligungsprojekten treffen werden. Eine Erkenntnis aus dem Projekt und der aktuellen Jugendforschung ist nämlich auch: Die meisten Jugendlichen sind nicht „politikverdrossen“ – wenn überhaupt, dann haben sie kein Interesse an Parteipolitik. Wenn sie eigene Handlungsspielräume erkennen, ihre Beteiligung auch unkonventionell sein darf und sie ernst genommen werden, sind sie gerne aktiv und gestalten ihre Lebenswelt – in der Schule, im Privatleben und der gesamten Gesellschaft.