Ostritzer Friedensfeste

Im Juni wollten hunderte Neonazis in Ostritz zu einem Festival zusammenkommen. Im Interview erklärt Georg Salditt vom IBZ St. Marienthal, einem der zentralen Akteure der Gegenbewegung, wie Ostritz gegenhält.

In der Zeit vom 21. bis zum 23. Juni 2019 haben die Bewohner der sächsischen Stadt das „Ostritzer Friedensfest“ gefeiert – als Gegenprogramm zu einer Neonazi-Veranstaltung. Einer der wesentlichen Ausrichter ist das Internationale Begegnungszentrum (IBZ) St. Marienthal, die östlichste AKSB-Mitgliedseinrichtung. Georg Salditt ist Abteilungsleiter Bildung und Begegnung am IBZ St. Marienthal und Mitglied im Orga-Team der Ostritzer Friedensfeste.

AKSB: Seit 2018 gibt es Friedensfeste in Ostritz – wie kam es dazu?

Ein hessischer Unternehmer bietet seit Ende 2017 in Netzwerken der Rechtsextremen ein privates Hotelgelände in Ostritz als Veranstaltungsort an. Als wir davon gehört haben, war uns sofort klar: Das passt nicht zu Ostritz und wir wollen etwas dagegen unternehmen. Schnell hat sich daraufhin ein Bündnis gegründet, das im Wesentlichen aus der Zivilgesellschaft, also engagierten Bürgerinnen und Bürgern vor Ort, der Stadt Ostritz und dem Internationales Begegnungszentrum St. Marienthal besteht.

AKSB: Was ist das Besondere an diesem Bündnis?

Das Besondere ist, dass die drei genannten „Säulen“ Zivilgesellschaft, Kommune und Bildungsinstitution wirklich eng zusammenarbeiten und auch auf Augenhöhe kommunizieren. Vieles kann schnell auf kurzem Weg geklärt werden. Insgesamt haben wir so seit 2018 schon vier Friedensfeste und einen Spendenlauf auf die Beine gestellt. Mit unseren Aktionen haben wir im Jahr 2018 unter anderem den Sächsischen Förderpreis für Demokratie und den Preis des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ erhalten. Gerade wurden wir auch für den deutschen Engagementpreis 2019 nominiert.

AKSB: Warum beteiligt sich das IBZ St. Marienthal an den Friedensfesten?

Als internationales Begegnungszentrum stehen wir für Weltoffenheit, Menschrechte und Demokratie. Von Anfang an war es uns wichtig, dass wir mit unserem Know-how und Netzwerken ein alternatives Programm anbieten und so den öffentlichen Raum in Ostritz besetzen. Im Rahmen des Friedensfestes haben wir eher klassische Bildungsveranstaltungen  wie Workshops zu Zivilcourage oder Vorträge zu Rechtsrock organisiert. Es gab aber auch kulturelle Angebote, Theatervorführungen und eine 20-Stunden-Lesung zum Grundgesetz.

AKSB: Wie wurden die Friedensfeste in Ostritz und in der Umgebung aufgenommen?

Es gibt natürlich Menschen, denen das alles egal ist. Manche wiederum meinen, wir sollten den Rechtsextremen keine Aufmerksamkeit schenken und sie nicht größer machen, als sie sind. Insgesamt ist das aber eine Minderheitenmeinung. Die Beteiligung bei allen Friedensfesten war sehr hoch und die Bereitschaft, auch für ungewöhnliche Aktionen, ist vorhanden. Als die Polizei ein Alkoholverbot auf dem Festivalgelände durchsetzte und 4200 Liter Alkohol konfiszierte, reagierten die Bewohner von Ostritz mit einer koordinierten Aktion. Sie kauften den gesamten Biervorrat des nächsten und einzigen Supermarkts auf und sorgten so dafür, dass die Rechtsextremen auf dem Trockenen blieben. Das zeigt deutlich: Die Friedensfeste sind eine Bewegung der Ostritzer. Die rechtsextremen Events sind importiert!

AKSB: Warum engagierst Du Dich in dieser Initiative?

Die Festivals und Veranstaltungen, gegen die wir uns hier in Ostritz engagieren, richten sich an echte Neonazis und Rechtsextreme. Ich stelle aber fest, dass in den letzten Jahren die Grenzen zwischen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus mehr und mehr verschwimmen. Manche Vertreter von rechtspopulistischen Parteien distanzieren sich nicht ernsthaft von den Inhalten der Neonazis, sondern lediglich aus „strategischen“ Gründen. Darauf müssen wir auch mit unserer Bildungsarbeit aufmerksam machen.