Seminar zur Europawahl für Menschen mit Behinderung

Seminarteilnehmer an einer Europa-Karte. Bild: Ulrike Maqua

Im Februar stellte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe fest, dass es verfassungswidrig ist, Menschen mit geistiger Behinderung, die auf eine/n Betreuer/in angewiesen sind, vom Wahlrecht auszuschließen. Da passte das neu konzipierte Seminar zur Europawahl des Franziskanischen Bildungswerks e. V. aus Großkrotzenburg perfekt, das sich an Menschen mit geistiger Behinderung richtete.
Zehn junge Menschen zwischen 19 und 32 Jahren, die im Sankt Vincenzstift in Rüdesheim-Aulhausen arbeiten und zum Teil auch leben, nahmen mit zwei Betreuenden am Seminar teil. Ziel des Seminars war es, über das Thema Europa ins Gespräch zu kommen, zu informieren und den Teilnehmenden zu zeigen, wie eine Wahl funktioniert.

Die Konzeption unterschied sich deutlich von anderen politischen Seminaren: In der Vorbereitung war es uns wichtig, möglichst niedrigschwellig vorzugehen. Was kennen wir von Europa? Was fällt uns zu diesem Thema ein?
In einem ersten Schritt konnten die Teilnehmenden Bilder malen oder Wörter aufschreiben, die sie mit Europa verbinden. Hierbei zeigte sich, dass viele an berühmte Gebäude (Eiffelturm, Colosseum) oder Essen wie Pizza und Brezeln dachten. Aber auch das Wort „Brexit“ tauchte häufig auf. Interessant war, dass ansonsten keine negativen Assoziationen genannt wurden. Einige Zeit beschäftigten wir uns mit verschiedenen Methoden damit, welche Länder zu Europa gehören, was wir mit den einzelnen Ländern verbinden und was die Europäische Union ist.

In einem zweiten Schritt ging es um die Europawahl selbst. Was kann ich da wählen? Was ist überhaupt ein Parlament? Was haben die Parteien damit zu tun? Hilfreich war hier die Methode, die Abgeordneten der Länder mit Gummibärchen auf einer Europakarte darzustellen, die dann aus ihren Ländern ins Parlament ziehen und sich dort auf die Fraktionen verteilen. Noch am nächsten Tag konnten die Teilnehmenden uns das Wahlsystem erklären, was sie sehr stolz gemacht hat.

Mithilfe von Muster-Wahl-Benachrichtigungen und Muster-Stimmzetteln stellten wir am letzten Tag die Situation in einem Wahllokal nach, jede/r konnte einmal sehen, wie eine Wahl funktioniert. Hierbei kam es natürlich nicht darauf an, was die Teilnehmenden wählten, sondern, dass sie nur ein Kreuz machten und das System nachvollziehen konnten, was sehr gut gelang.

Viele der Teilnehmenden sagten zum Schluss, dass sie im Mai auf jeden Fall Gebrauch von ihrem Wahlrecht machen möchten und sich vorher informieren wollen, welche Partei ihre Meinung am besten vertritt. Das ist das, was wir mit diesem Seminar erreichen wollten und macht uns sehr deutlich: Seminare für Menschen mit Behinderung sollten keine Ausnahme sein, sondern ein Bestandteil unserer Arbeit in den Bildungseinrichtungen!

Konzept und Durchführung: Franziskanisches Bildungswerk e.V.
Finanzierung: Katholische Erwachsenenbildung im Bistum Limburg, Referat für Bildungsangebote in Leichter Sprache

Text und Bildrechte: Ulrike Maqua