Weichenstellen für Europa

Vielen Menschen ist nicht bewusst, welchen Einfluss sie durch politische Partizipation nehmen können. Gerade mit Blick auf die Rolle der EU und die anstehenden Wahlen ist stetige Bildungsarbeit zum Thema Europa ratsam.

Im 15. Jahrhundert wurde der Schiffstyp der Karavelle in Europa entwickelt. Diese Erfindung markiert einen wichtigen Punkt der bis heute voranschreitenden Globalisierung und der daraus resultierenden enormen Zugewinne an Wissen und Wohlstand. Doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg und vielen anderen schmerzhaften Fehlern lernten die Europäer, dass gleichberechtigte transnationale Zusammenarbeit auch im Bereich der Politik ungeahnte positive Effekte mit sich bringt.

Erfolge der Europäischen Union

In dem Versuch, es in Zukunft besser zu machen, entstand mit der Europäischen Union eine transnationale politische Ordnung, die weltweit ihresgleichen sucht und die politische Erfolge vorzuweisen hat: Seit 74 Jahren herrscht in Europa Frieden. Wohlstand und Lebensqualität nehmen stetig zu. Trotz der enormen BIP-Steigerungen ist es Europa seit 1990 gelungen, den CO2-Ausstoß um 3,3 Tonnen per Capita zu reduzieren. Europas Gesellschaft gehört zu den gerechtesten weltweit, unsere Systeme der sozialen Sicherung, der Gesundheit und der Bildung zu den erfolgreichsten.

Mit Europawahlen Weichen stellen

Die Europawahlen bieten den aktuell 508 Millionen Einwohnern der EU-27 die Möglichkeit, politische Weichen für den Kurs dieser transnationalen politischen Ordnung zu stellen. Dabei geht es um zentrale Fragen, die unser Leben in einschneidender Weise betreffen: Müssen wir radikal mehr für den Klimaschutz tun? Braucht es eine fairere Handelspolitik? Soll Europa sozialer werden? Benötigt der freie (Binnen-)Markt mehr oder weniger Regeln? Soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der EU insgesamt fortgesetzt oder reduziert werden?

Die Rolle des Einzelnen in Europa

Vielen Bürger/-innen machen die Entgrenzung der Welt und die damit einhergehenden Veränderungen Angst. Das jüngste Wiederaufkeimen des Nationalismus in Europa ist auch dadurch zu erklären, dass zu vielen Personen nicht klar ist, wie viel Einfluss sie durch ihre politische Partizipation auf die großen, uns beschäftigenden Fragen haben. Die Tatsache, dass EU-Politik nicht immer ganz unkompliziert ist, kann den Eindruck persönlicher Ohnmacht „des einfachen Bürgers“ vergrößern.

Mehr Europa-Kompetenz schaffen

Die Handlungskompetenz der Bürger/-innen zu stärken und sie in die Lage zu versetzen, selbstbewusst an transnationaler Politik teilzunehmen, ist Auftrag der politischen Bildung. Handlungskompetenz bedeutet, europapolitische Prozesse und Inhalte zu verstehen, eigene Positionen zu formulieren und diese politisch einbringen zu können.
Diese Kompetenz herzustellen ist Aufgabe der politischen Bildungsarbeit. Nicht nur, weil aller Bürger/-innen ein Recht auf politische Teilhabe haben. Sondern auch, weil wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und die Zeiten des hemmungslos egoistischen Nationalismus vorbei sein müssen.

Stetige Bildungsarbeit rund um Europa

Die bevorstehende Europawahl sollte für die politische Bildung ein Weckruf sein. Der europäischen und der internationalen Bildungsarbeit haftet noch immer ein Hauch des Exotischen an, den diese längst hätte verlieren müssen. Im Vorfeld der Europawahlen, aber auch darüber hinaus, muss mehr Augenmerk darauf gelegt werden, dass Bürger/-innen zur politischen Partizipation an der EU befähigt werden. Dieser Ansatz sollte permanent zu einem zentralen Betätigungsfeld werden. In allen Einrichtungen der non-formalen Bildungsarbeit sollte es zur Normalität werden, Bildungsveranstaltungen zur Europapolitik anzubieten und an der fachlichen Zusammenarbeit teilzunehmen. Wie immer wir zu den einzelnen Sachfragen stehen: Die Bejahung positiver grenzüberschreitender Zusammenarbeit sollte das Wertefundament unserer Arbeit bilden.

Florian Sanden

Leitung Europabüro für Katholische Jugenarbeit und Erwachsenenbildung

+32 2 2741425
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