GEMINI-Stellungnahme zu politischer Jugendbildung
Die GEMINI nimmt Stellung zum Wert und zu den Herausforderungen der politischen Jugendbildung.

Politische Jugendbildung – Unverzichtbar für die Demokratie
Wie aktuelle Studien zeigen, ist das Leben vieler junger Menschen von anhaltenden Krisenerfahrungen, zunehmender Verunsicherung und Zukunftsängsten geprägt. Kriege, die gravierenden Veränderungen der (welt-)politischen Lage, die Folgen des Klimawandels und gesellschaftliche Probleme wie die steigende soziale Ungleichheit werden als drängende politische und gesellschaftliche Herausforderungen der Zukunft gesehen.
Obwohl die Mehrheit der jungen Menschen politisch interessiert ist, sinkt das Vertrauen in die Demokratie und die politischen Entscheidungsträger*innen. Steigende Unzufriedenheit und Verunsicherungen begünstigen Demokratieskepsis, die von antidemokratischen Akteuren gezielt genutzt wird.
In dieser Lage äußerer und innerer Bedrohung einer offenen pluralen Demokratie und ihrer Grundwerte kommt der politischen Jugendbildung die zentrale Aufgabe zu, den Wert der Demokratie sichtbar zu machen, über Bedrohungen aufzuklären, die eigenständige politische Meinung- und Urteilsbildung von jungen Menschen und ihre politische Handlungsfähigkeit zu stärken.
Die vielfältige Landschaft unabhängiger Träger der politischen Jugendbildung in Deutschland ist eine unverzichtbare Ressource für die Stärkung der demokratischen Kultur, des gesellschaftlichen Zusammenhalts sowie für Engagement und Ehrenamt in unserem Land. Als Gemeinsame Initiative der Träger politischer Jugendbildung (GEMINI) im Bundesausschuss Politische Bildung (bap e. V.) fühlen wir uns den Anliegen junger Menschen verpflichtet. Wir leisten mit unserer Arbeit täglich einen Beitrag zur Teilhabe junger Menschen an unserer Demokratie. Angesichts der aktuellen rechtspopulistischen und rechtsextremen Bedrohungen der Demokratie braucht es eine deutliche Stärkung der politischen Jugendbildung und ein solidarisches Eintreten für die demokratische Vielfalt, Offenheit und die Unabhängigkeit der Trägerlandschaft. Für die Weiterentwicklung und Zukunft der politischen Jugendbildung sind aus unserer Sicht folgende Maßnahmen notwendig:
1. Gemeinsam stark gegen den Neutralitätsmythos
Politische Bildung zielt auf politische Mündigkeit und lebt von den Gestaltungsprinzipien des Kontroversitätsgebots und des Überwältigungsverbots. Politische Bildung hat die Verantwortung zur kritischen Differenzierung und einen normativen Kern in der Vermittlung pluralistischer, demokratischer und menschenrechtsorientierter Haltungen und Werte. Sie ist damit nicht neutral, sondern demokratischen Rechten und den Prinzipien des Grundgesetzes verpflichtet. Rechtsextreme und rechtspopulistische Versuche der Deligitimierung unter Bezug auf ein vermeintliches „Neutralitätsgebot" haben eine klar antidemokratische Stoßrichtung. Dagegen gilt es Haltung zu zeigen. Der jüngste Beschluss „Jugendarbeit stärken – Für einen demokratischen Diskurs" der Jugend- und Familienkonferenz (JFMK) ist hierfür wegweisend. Auch benennt die JFMK klar:
„Erfolgreiche demokratische Jugendarbeit ist entsprechend der Werte des Grundgesetzes und der darin garantierten Rechte ausgerichtet. Dabei sind Offenheit, Vielfalt und Pluralität, Kontroversität, Befähigung zur eigenständigen Orientierung sowie ein Indoktrinationsverbot in der Jugendarbeit Arbeitsmaxime. Sie dürfen nicht durch Forderungen nach politischer Neutralität gefährdet bzw. in Frage gestellt werden" (2025: 14f.). Die GEMINI bringt ihre Expertise ein, um gemeinsam mit vielfältigen Partner, Fördergebern und Fachpolitik geeignete Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, um Deligitimierungsstrategien, Diskursverschiebungen und Kampfbegriffen wie dem Neutralitätsmythos entgegenzutreten. Wir treten zugleich für eine fachlich fundierte politische Bildung in der Kinder- und Jugendhilfe ein, die sich deutlich gegenüber einer Verengung auf Extremismusprävention oder Demokratieförderung abgrenzt.
2. Demokratische Resilienz durch gezielten Schutz und die Qualifizierung von Fachkräften der politischen Jugendbildung
Einschüchterungen, Anfeindungen und Bedrohungen gegenüber Akteuren der politischen Jugendbildung und anderen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe sind längst keine Einzelfälle mehr, sondern folgen einer klaren Strategie: Systematisch sollen Räume für zivilgesellschaftliches Engagement eingeschränkt werden, um lokale bzw. regionale Demokratieförderungen einzustellen und entsprechende Angebote zu unterbinden. Fehlende Räume und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe werden dann durch antidemokratische Strukturen ersetzt. Politische Bildner*innen und ihre Organisationen sehen sich mit offenen Drohungen und Denunziationen konfrontiert, die bis in den Privatraum hineinreichen. Um dieser Bedrohung angemessen begegnen zu können, braucht es mehr Qualifizierungs- und Fortbildungs- sowie juristische Unterstützungsangebote für Fachkräfte und Träger. Um eine für politische Bildner*innen und Teilnehmende sichere Durchführung von Veranstaltungen zu gewährleisten, ist die Entwicklung von Schutzkonzepten und die gezielte Qualifizierung von Ansprechpersonen notwendig. Diese Angebote können von den Trägern der politischen Jugendbildung in Eigenregie entwickelt und durchgeführt werden. Dazu sind zusätzliche Fördermittel im Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) notwendig. Wünschenswert wäre ebenso ein Pilotprojekt zur Datenerfassung von rechtsextremen Anfeindungen in der politischen Bildung, damit man eine solide Datenbasis erhält und zielgenaue Maßnahmen entwickeln kann.
3. Nachhaltige Stärkung und Weiterentwicklung der bundeszentralen Infrastruktur der politischen Jugendbildung
Wir betrachten junge Menschen stärkenorientiert und gestalten mit ihnen gemeinsame Räume zur Entwicklung ihrer eigenständigen demokratischen Meinung- und Urteilsbildung und demokratischen Handlungskompetenz. Dabei sind die Schnittstellen zwischen der politischen Jugendbildung und anderen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe (insbesondere der Jugendsozialarbeit, der Jugendverbände etc.) auszubauen. Der KJP muss weiter gestärkt werden, um Strukturen zu schaffen, die alle jungen Menschen erreichen, und um mit ihnen Frei- und Bildungsräume zu gestalten. Die im Koalitionsvertrag von Union und SPD geplante Aufstockung und Dynamisierung des KJP begrüßen wir ausdrücklich. Strukturen der politischen Bildung können nur dann abgesichert werden, wenn eine bedarfsgerechte sowie nachhaltige Finanzierung durch Bundesmittel sichergestellt ist. Denn die stärkenorientierte politische Jugendbildung erfordert die Nachhaltigkeit, Qualifizierung und Weiterentwicklung von erfolgreichen und etablierten Projekten und Personen, die politische Jugendbildung betreiben. Gleichzeitig werden damit die öffentliche Wertschätzung und das Bewusstsein für die zentrale Bedeutung politischer Bildung für die Demokratie deutlich. Als bundesweite Träger und Akteure der politischen Jugendbildung in der GEMINI stehen wir jederzeit bereit, diese Forderungen zu diskutieren und geeignete Strategien zu entwickeln, mit denen die politische Jugendbildung und die Kinder- und Jugendhilfe geschützt, gesichert und weiterentwickelt werden können.
Kontakt
Ole Jantschek
Sprecher
Gemeinsame Initiative der Träger politischer Jugendbildung (GEMINI) im bap e.V.
Tel: 030 28 395 – 417
E-Mail: gemini@bap-politischebildung.de
Website: www.demokratiestaerkerinnen.de
Erstellt: 14. Oktober 2025