Demokratie erklären und gestalten, muss gar nicht so kompliziert sein
Eine inklusive Ausrichtung der politischen Bildung geht am besten Schritt für Schritt. Das zeigt das Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg im Rahmen des Projektes „Wie geht Demokratie?“.
Schritt für Schritt die eigenen Möglichkeiten nutzen, die gesellschaftliche und politische Teilhabe von Menschen mit starken Lernschwierigkeiten zu fördern: Das gehört zur DNA des Caritas-Pirckheimer-Hauses (CPH) in Nürnberg. Schon vor zehn Jahren hat sich die Einrichtung das ehrgeizige Ziel gesetzt, eine Akademie für alle zu sein. Eine solche Vorgabe erfordert Beharrlichkeit und Entschiedenheit, stetig die eigene Arbeit kritisch zu hinterfragen und weiter in die richtige Richtung zu entwickeln.
So passt das Bestreben der AKSB, im Projekt „Wie geht Demokratie?“ Impulse für eine inklusive Ausrichtung der politischen Bildung zu setzen, bestens in die eigene Strategie. Entsprechend engagiert sich das CPH als Modellstandort mit einer sehr systematischen Herangehensweise, aus der verlässlich Produkte entstehen. Mit denen können dann viele andere Akteure innerhalb und außerhalb der Trägerlandschaft der AKSB arbeiten, erklärt Projektleiterin Julia Wagner.
Die Sozialarbeiterin hat in ihrer beruflichen Laufbahn immer das Ziel geleitet, dass Menschen gleichbehandelt werden, gleich woher sie kommen, welches Geschlecht sie haben und auch unabhängig von der Frage, welche körperlichen oder geistigen Voraussetzungen sie mitbringen. Aus der Arbeit mit Geflüchteten kennt sie die unwürdigen Mechanismen individueller und struktureller Ausgrenzung. Dies lässt sich auf die Situation von Menschen mit Beeinträchtigungen übertragen.
Neue Öffentlichkeit für diese Zusammenhänge zu schaffen, auch ein neues Bewusstsein bei Familien und Fachkräften, findet Julia Wagner sehr wichtig. Das Projekt „Wie geht Demokratie?“ bietet ihr und dem CPH die Chance, an dieser Aufgabe mitzuwirken. Ihre Kollegin Dr. Doris Katheder und sie haben dazu einen pragmatischen Weg gewählt, der Barrieren für politische Bildner/-innen abbaut. Zentral dabei: Alles ist mit Menschen aus der Zielgruppe konzipiert, erprobt, reflektiert worden. „Wir arbeiten mit doppeltem oder dreifachem Boden“, resümiert die Projektleiterin schmunzelnd.
Die fünf Jahre im Projekt verfolgen fünf Jahresthemen, aus denen spezifische Handreichungen für die bildnerische Praxis entstehen. Als gut nachvollziehbare Schritt-für-Schritt-Anleitung, politische Themen zu durchdringen, entsteht in jedem Jahreszyklus ein Buch in leichter Sprache, entsprechend illustriert. Flankiert wird dieses Buch durch Konzepte und Materialien für Seminare mit der Zielgruppe. Dieses Rundum-Paket soll die Bildungspraxis in Deutschland bereichern, auf Dauer. Daher gibt es alle Bausteine nicht nur in limitierter Auflage als Druckwerke, sondern sie können auch im Netz heruntergeladen werden. Und es gibt Fortbildungen für Fachkräfte.
Der thematische Bogen geht wie folgt: Zuerst ging es um die demokratischen Teilhabemöglichkeiten in Deutschland („Demokratie und ich“). Aus Anlass der Bundestagswahl 2021, aber bereits auf künftige Wahlen auf verschiedenen Ebenen ausgerichtet, beschäftigte sich das CPH mit dem Thema „Wie geht wählen?“. Als nächstes stehen die Vielfalt in der Demokratie, meine Rechte in der Demokratie und die Stärkung und der Schutz der Demokratie auf der Tagesordnung.
Die eigenen Erfahrungen im Projekt bestärken Julia Wagner darin, andere Träger und Einrichtungen der politischen Bildung zu ermutigen, sich einfach einmal auf den Weg zu machen. „Es ist gar nicht so schwer, anzufangen“, sagt sie. Jeder Schritt der Öffnung ermöglicht eine stärkere Teilhabe von Menschen, die bisher eher ausgegrenzt werden im institutionellen Alltag. In Videoclips und auf Social-Media-Kanälen versucht das CPH, für diesen Gedanken zu trommeln.
Die Impulse aus Nürnberg wollen allseitig Barrieren abbauen: für die Menschen aus der Zielgruppe ebenso wie für die Fachkolleg/-innen in Bildungswerken und -häusern, in Werkstätten, in Wohneinrichtungen. „Der Wille zählt, es muss nicht alles perfekt sein“, verdeutlicht Julia Wagner die Haltung, auf die es ankommt.
6. Oktober 2021