Nachgehorcht: Wie sieht die Situation im Jahr zwei der Pandemie aus?

Die Pandemie ist noch lange nicht zu Ende. Zwischenzeitlich konnten viele Bildungseinrichtungen im Verbund der AKSB wieder ihren Betrieb hochfahren. Stellvertretend für sie kommen zwei zu Wort, um Erfahrungen und Herausforderungen zu schildern.

Heinrich Pesch Haus, Ludwigshafen

Ulrike Gentner, Tobias Zimmermann SJ: Wie alle anderen Häuser im Verbund der AKSB blickt auch das Heinrich Pesch Haus auf eine turbulente Corona-Zeit zurück. Am 18. März 2020 ging es in den Lockdown, zwei Monate später konnte es wieder den Präsenz-Bildungsbetrieb aufnehmen, bis zur Schließung des Tageshauses im Dezember 2020. Seit Juni 2021 ist es wieder erlaubt, Präsenzveranstaltungen durchzuführen. Das Tagungshotel konnte gemäß der jeweils gültigen Corona-Schutzverordnung Gäste beherbergen. Zwischen 6. April 2020 und Juli 2021 gab das Heinrich-Pesch-Haus knapp 40.000 Mahlzeiten an bedürftige Menschen aus, auf Basis von Spenden.

Zugleich veränderte sich das Bildungsangebot, die Pandemie weckte Potenziale. Dieser Prozess ist nicht abgeschlossen. Ausgangspunkt ist diese Betrachtung: In einer globalisierten und digitalen Welt ist (Weiter-) Bildung ein entscheidender Erfolgsfaktor für die einzelne Person, die Wirtschaft und die Gesellschaft. Wie lassen sich die Chancen der Digitalisierung in der Erwachsenen- und Weiterbildung zielgruppendifferenziert sinnvoll nutzen? Prof. Bernd Käpplinger von der Universität Gießen beschreibt diesen Prozess anhand der drei Schlüsselbegriffe „Disruptor“, „Beschleuniger“ und „Brennglas“.

Das haben wir auch im Heinrich Pesch Haus bzw. bei den Zielgruppen und Kooperationspartnern erlebt, reflektiert und entsprechende Maßnahmen ergriffen hinsichtlich Digitalisierung. Wir haben sofort die digitale Kompetenz der Referent/-innen durch Fortbildungen und technische Ausstattung gefördert und das Angebot an digitalen Veranstaltungen erweitert, was auf gute Nachfrage stieß. Insofern hat die Krise die digitale Lernkultur vorangetrieben und nicht nur Selbstlernkompetenz aktiviert. Der Lernort Bildung wird flexibler, deshalb führen wir Veranstaltungen präsent, hybrid und online (synchron und blended learning) durch. Das Online-Magazin und Debattenportal „Sinn und Gesellschaft“ erweitert die digitalen Angebote um gesellschaftsrelevante und aktuelle Themen.

Unterschiedliche Datenschutzbestimmungen wie mangelhafte technische Ausstattung der Teilnehmenden erweisen sich unter anderem als herausfordernd für digitales Lernen und erhöhen den Aufwand als Bildungsanbieter. Passende zielgruppenadäquate Geschäftsmodelle für digitale Formate sind weiterhin in Entwicklung. Die staatlich anerkannten Weiterbildungsträger in Rheinland-Pfalz plädieren für „Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe in Rheinland-Pfalz mit der Hoffnung auf einen bundesweiten Digitalpakt für Weiterbildung“. Die Online-Akademie HPH wird ausgebaut. 

Marstall Clemenswerth, Sögel

Christian Thien: Bei uns in der Jugendbildungsstätte Marstall Clemenswerth hat sich die Belegungssituation wie bei vielen anderen in der AKSB wahrscheinlich auch seit Juni wieder Schritt für Schritt normalisiert. Wir hatten gute, normale Sommerferien, die endlich wieder mit all unseren eigenen pädagogischen und inklusiven Freizeitangeboten laufen konnten. Natürlich war hier der Aufwand für Vorbereitung und Durchführung deutlich höher als in Vorjahren, aber personell konnten wir das stemmen und es war ein Fest für viele Teilnehmer/-innen.

Von den Ferien ging es direkt in den Vollbetrieb mit den Schulklassen, die bei uns nun wieder in voller Stärke zurück sind und das Haus voll machen, da wir für den Fall einer etwaigen fehlenden Schulbelegung aber auch noch andere Fremdgruppen ins Haus eingebucht hatten, jetzt Schulklassen teilweise größer sind als laut Vertrag angemeldet, leiden und ächzen wir oft unter Überbuchung, für deren Umsetzung oder für die Verlegung von Vertragsgruppen wir auch wieder mehr Personalaufwand benötigen als in normalen Jahren. Grundsätzlich kann ich sagen, dass wir pro Vertragspartner deutlich mehr Telefon-, Mail- und Beratungskontakte führen müssen als vorher. In früheren Jahren waren das von Buchung bis Belegung drei bis fünf Kontakte, nun sind es oft zehn bis zwölf, einfach weil die Unsicherheit so groß ist auf der Gastseite.

Dann fehlt uns durch die eineinhalb Jahre massiv das nebenamtliche Personal, das wir benötigen, um den Bildungsbetrieb wieder fünf- bis siebenzügig zu bedienen. Hier werden wir wahrscheinlich noch die kompletten nächsten eineinhalb bis zwei Jahre auf dem Zahnfleisch laufen und von Problem zu Problem navigieren. Es gibt schon viele Langzeitkrankheitsfolgen in den Häusern im Bistum Osnabrück und ich fürchte, das könnte uns auch weiterhin massiv beschäftigen und fordern. Es ist bei so vielen Mehrbelastungen allerdings nur schwer möglich, auf alle Menschen zu achten, da es gleichzeitig enorme finanzielle Risiken gibt, die es nicht möglich machen, einfach Personal aufzubauen, falls wir überhaupt welches finden würden.
Denn unsere Rettungsschirme decken in Niedersachsen nicht die letzten zwei Monate dieses Jahres ab und wir konnten in den nun laufenden Monaten natürlich nicht die gesamten Jahresendkosten erwirtschaften, die mit einer sechsstelligen Summe zu Buche schlagen werden. Das wird noch sehr brisant, wenn die Politik da nicht schleunigst nachsteuert. Vor allem sind ja auch viele andere, kleinere Systeme von diesem Problem in Niedersachsen betroffen und ob da überhaupt noch Rücklagen vorhanden sind, das weiß im Moment niemand. Wir werden am Ende dieses Jahrs im schlimmsten Fall alle Rücklagen aufgebraucht haben. Dann darf hier aber in den nächsten zwei Jahren nichts mehr schief gehen. Keine gute Situation also.


15. November 2021

Claudia Krupp

Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

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