Mehr Konsequenz bitte! Die Europäische Union und die politische Bildung

Die politische Bildung wird von der EU zunehmend als wichtiges Thema erkannt. Der Erkenntnis sollten nun verstärkt Taten folgen. Ein Plädoyer von Florian Sanden aus dem Europabüro.

13. Januar 2021

Klimawandel, Digitalisierung und rechter Nationalismus gehören wohl zu den wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen, denen sich die Bildung derzeit annehmen muss.
Ein Beispiel: Für eine erfolgreiche Klimarettung muss allein Deutschland als größte Volkswirtschaft der EU bis 2035 60 bis 70 Megatonnen (MT) CO2 pro Jahr einsparen und bei den erneuerbaren Energien einen Zubau von 40 Gigawatt (GW) pro Jahr erreichen. Expert/-innen geben an, diese Aufgaben könnten nur mit breiter gesellschaftlicher Zustimmung und Teilhabe verwirklicht werden. Der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung stellt sich die Aufgabe, Themen, Kompetenzen und Einstellungen zu vermitteln.
Bei den Themen Digitalisierung und rechter Nationalismus stellen sich ähnlich große Aufgaben. Höchste Zeit also für eine Stärkung der politischen Bildung.

Europäische Union kennt Bedeutung der politischen Bildung

Die Europäische Union hat vor einigen Jahren begonnen, die politische Bildung als zentrales bildungspolitisches Thema zu begreifen. In der Pariser Erklärung vom März 2015 forderten die EU-Bildungsminister eine stärkere Förderung demokratischer Werte, Toleranz und aktiver Bürgerschaft. Die kürzlich verabschiedete European Skills Agenda erklärt: “Offene, demokratische Gesellschaften brauchen aktive Bürger/-innen, die Informationen bewerten, Fehlinformationen identifizieren und informierte Entscheidungen treffen können, sich resilient und verantwortungsvoll verhalten."

Diese und andere erfreuliche deklaratorische Zielsetzungen schaffen es bisher nur begrenzt, Einfluss auf die Ausgestaltung der EU-Ausgabenpläne, die große Bedeutung für die Anregung von Innovationen und Reformen in den Mitgliedstaaten besitzen, zu erlangen.
Das derzeit wichtigste Programm zur Förderung der politischen Bildung, das Erasmus-Programm, sollte statt der ursprünglich angekündigten Erhöhung von 14,7 auf 30 Mrd. Euro lediglich eine Erhöhung auf 21 Mrd. Euro erhalten. Nur durch intensive Bemühungen von Seiten des Europäischen Parlamentes und der organisierten Zivilgesellschaft konnte gegenüber den Staats- und Regierungschefs eine geringfügige Aufstockung auf 23,2 Mrd. Euro erreicht werden.
Das für die gesellschaftspolitische Bildung junger Menschen wichtige Europäische Solidaritätskorps fand in den Verhandlungen zwischen Europäischem Rat und Europäischen Parlament kaum Berücksichtigung. In Erasmus ist die politische Bildung selbstverständlich nur ein Thema unter vielen. Ob hier in der kommenden Förderperiode eine stärkere Schwerpunktsetzung erreicht werden kann, muss sich noch zeigen.

Das eigentliche EU-Programm für politische Bildung, das Programm Europa für Bürgerinnen und Bürger, litt bisher unter einem geringen Budget und der Konzentration auf eine kleine Anzahl von Leuchtturmprojekten. Hier gelang es dem Europäischen Parlament, für das Nachfolgeprogramm für Rechte und Werte eine Verdoppelung der ursprünglich vorgesehenen Summe von 841 Mio. auf 1,6 Mrd. Euro zu erreichen.

Europäische Zentrale für politische Bildung

Das European Policy Centre (EPC), ein einflussreicher Think Tank, bringt in einer aktuellen Publikation die Einrichtung einer Europäischen Zentrale für politische Bildung ins Spiel. Die Bundeszentrale für politische Bildung wird direkt als Vorbild genannt. Mit der Schaffung von Institutionen geht oft auch eine Stärkung von Themen und Förderung einher . Der Vorschlag des EPC besitzt daher durchaus Potential. Die EU sollte eine Ausgestaltung der Idee in enger Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft prüfen.